Mein Leben mit Morbus Crohn (Teil 3)
- thestoryofmylife
- 20. Mai 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Aug. 2020
Die letzten Tage ging es mir nicht so gut. Seit die Corona-Krise anfing kam bei mir wieder ein Schub. Mein Mittagessen besteht aus ein paar Bissen, weil ich nicht mehr schaffe und selbst da laufe ich schon während dem Essen auf die Toilette, so als würde es durch mich durch fallen. Alle paar Minuten habe ich einen Bauchkrampf. Diese Bauchkrämpfe fühlen sich meiner Meinung nach an wie Geburtswehen. Als ich mein zweites Kind bekam, dachte ich, dass ich diese Schmerzen wahrscheinlich nie wieder erleben muss, doch dann bekam ich Morbus Crohn, nur vier Monate nach der Geburt. Seither sind die Bauchschmerzen leider mein Lebensinhalt.

Gestern hatte ich einen Termin mit meiner Tochter (5) beim Kinderpsychologen. Ich war eigentlich gar nicht in der Verfassung hin zu fahren. Ich hatte die ganze Taxi-Fahrt über Bauchkrämpfe, aber dieser Termin war wichtig. Als ich dann mit meiner Kleinen vor der Psychologin saß, meinte sie ich solle anfangen zu erzählen warum ich hier bin. Es dauerte nicht lange und ich brach in Tränen aus. Vor drei Jahren waren wir schon bei dieser Dame, weil meine Tochter Schwierigkeiten mit der Scheidung zwischen mir und ihrem Vater hatte. Ich möchte nicht erzählen, welche Probleme mein Kind hat. Viel lieber möchte ich über die Situation schreiben, wie es ist nur eine "Besuchsmama" zu sein.
Vorallem Väter, die Kinder aus einer vorherigen Beziehung haben, kennen das. Ich habe schon oft miterlebt, dass sich Paare trennen, die Kinder gehen mit der Mutter mit und der Vater muss für sein Recht erstmal kämpfen, damit er seine Kinder sieht. Aber Kindesunterhalt dürfen sie natürlich sofort zahlen. So gehts mir!
Seit über einem Jahr wohnt meine Kleine bei meinem Exmann, weil ich von der chronischen Krankheit zu erschöpft bin und nicht mehr alles unter einem Hut bringe. Ich wollte das nie, aber ihr Vater war die einzige Möglichkeit. Manchmal sagt meine Oma:" Du solltest es schätzen, dass der Vater von deinem Kind noch da ist." Tatsächlich bin ich froh drüber, dass er noch auf der Bildfläche meiner Tochter erscheint, aber was ich dafür bereits alles in Kauf nehmen musste ist nicht einfach.
Morbus Crohn allein hätte schon gereicht, aber es wäre nicht mein Leben, wenn ich nur ein einziges Problem hätte.

Im vorherigen Blog erzählte ich über die Einnahme von Kortison. Eine positive "Nebenwirkung" war, dass ich während der Korison-Therapie vor Kreativität und Ideen platzte. Ich war dauernd motiviert zu malen, manchmal sogar bis 4 Uhr morgens. Mein Vater erzählte mir, dass er auch diese kreative Phase in seiner Kortison-Zeit hatte. Die ersten zwei Wochen hatte ich aber auch viele Beschwerden. Eine Nebenwirkung davon waren die Wassereinlagerungen. Ich bekam ein sogenanntes Vollmondgesicht. Ich sah dicker aus, als ich war.
Wie entsteht ein Vollmondgesicht?

Das Vollmondgesicht gilt in der Medizin als typisches Anzeichen für einen erhöhten Kortisonspiegel im Blut. Das kann im Rahmen einer Erkrankung passieren, zum Beispiel wenn ein Tumor in den Nebennieren zu viel des Hormons produziert. Sehr viel häufiger aber ist das Vollmondgesicht Folge einer Kortison-Therapie.
Es handelt sich also in den meisten Fällen um eine klassische Medikamenten-Nebenwirkung. Durch den Einfluss des Kortisons kommt es zu Fetteinlagerungen unter anderem an den Wangen, die dann das Gesicht tatsächlich dicker und runder aussehen lassen. Zusätzlich ist die Haut meist auffällig gerötet.

Rundes Gesicht, rote Wangen, dicker Nacken = Cushing-Syndrom
Cushing-Syndrom
Ein Cushing-Syndrom entwickelt sich, wenn im Körper eine zu große Menge des Hormons Cortisol zirkuliert - beziehungsweise seines künstlichen Pendants, des Medikaments Kortison. Die Folgen sind weitreichende Veränderungen im gesamten Körper: Die Patienten entwickeln ein „Vollmondgesicht“ und einen „Büffelnacken“. Außerdem steigt die Infektanfälligkeit, der Blutdruck schießt in die Höhe, es entwickeln sich Muskelschwäche und ein ständiges Durstgefühl.
Auf dem zweiten Foto erkennt man die Wassereinlagerungen im Gesicht, vor allem in den Wangen. Dass ich schon wieder 10 kg zugenommen hatte ging mir richtig auf die Nerven. Schon seit ich ein Teenager war, tu ich mir schwer mein Körpergewicht zu halten. Durch die zwei Schwangerschaften ging mein Gewicht innerhalb kurzer Zeit hoch und nach der Geburt verlor ich beide Male doppelt wieder soviel, als ich zugenommen hatte. Wahrscheinlich, weil die Babyzeit mit meinen Kindern einfach stressig war und man bedenkt, dass ich nach der zweiten Geburt krank wurde. Durch meine letzten Schübe hab ich die 10 kg wieder weg. Während eines Schubs hab ich so gut wie nie Appetit und es geht mir eher am Nerv schon wieder etwas essen zu müssen. Momentan kann ich kein Fleisch mehr essen. Ich weiß nicht wieso es mich plötzlich anwidert. Am Liebsten esse ich Lachs-Sushi. Es liegt nicht schwer im Magen und man fühlt sich danach nicht angegessen. Wenn ich mal Appetit habe, kann und darf ich auch alles essen. Ich weiß ja mittlerweile schon was ich vertrage.

Seit zwei Jahren nehme ich zur Linderung der Symptome die Humira-Spritze. Ich bekam sie auf der Crohn-Ambulanz im AKH verschrieben. Ein Chefarzt musste das Rezept noch bewilligen. Als ich die Spritze das erste Mal beim Hausarzt verschreiben lassen wollte, wollten die ganz genau wissen, ob ich das auch wirklich nehmen darf. Mittlerweile machen die nicht mehr ein Damdam um das Rezept. Auch in der Apotheke muss man die Humira-Spritze erst jedes Mal bestellen lassen. Ich nehme sie alle zwei Wochen und verabreiche mir die Injektion in den Bauch. Die Nadel schießt auf Knopfdruck so schnell raus, sodass es nicht wirklich weh tut. Noch bevor ich die Spritze bekam, gab mir eine Krankenschwester auf der Crohn-Ambulanz eine kurze Einführung. Sie warnte mich, dass sich mein Immunsystem durch die Humira verschlechtern kann. Ich hatte Angst die Spritze zu nehmen. Auf der anderen Seite brauchte ich sie aber, um die Beschwerden etwas zu lindern. Ich hatte schon vorher ein schlechtes Immunsystem und war alle zwei Monate krank. Irgendwas hatte ich immer. Sobald meine Tochter was hatte, hatte ich es auch. In meiner Ausbildung zur Texil-Einzelhandelskauffrau schaffte ich das 1. Lehrjahr. Im 2. Jahr konnte ich zur Prüfung nicht mehr antreten. Ich hatte so viele Fehlstunden. Ich bekam vom Morbus Crohn immer wieder Entzündungen in der Mundhöhle, die im Anschluss manchmal eine Angina verursachten. Außerdem hatte ich glaube ich noch nie einen gesunden Kreislauf. Schon als Kind bin ich einmal in der Kirche einfach umgefallen, weil mir schwindelig wurde. Ich kann die Male nicht mehr zählen wie oft mir schwarz vor Augen wurde und plötzlich wache ich am Fußboden wieder auf. Seit ich die Darmkrankheit habe hat sich der Schwindel verschlimmert. Ich sitze ein paar Minuten und wenn ich aufstehe wird mir sofort schwindelig. Das passiert mir auch, wenn ich in der U-Bahn sitze, ein paar Stationen fahre und dann aufstehe und Richtung Tür gehe. Ich halte mich an der Seite fest, weil ich merke wie sich alles zu drehen beginnt. Ich hoffe, dass es niemand bemerkt und dass ich mich nicht abnormal verhalte. Letztens saß ich beim HNO im Warteraum. Er rief mich auf, ich ging ins Arztzimmer und wieder wird mir schwindelig und ich sehe kaum was. Ich stütze mich während dem Hinsetzen ab, damit ich nicht vom Untersuchungsstuhl fiel. Ich muss jedes Mal nur ein paar Sekunden warten und dann ging´s wieder. Was ist, wenn ich wieder zusammenbreche? Die geschockten Blicke der Leute sind unangenehm. Mein Partner ist es schon gewohnt, wenn ich vom Sofa aufstehe, bleibe ich bei der Tür kurz stehen und halte mich am Kratzbaum der Katzen fest, weil ich sonst umfallen würde.

Letztes Jahr fiel ich am Weg in die Küche um. Ich weiß noch wie ich versuchte mich irgendwo festzuhalten, aber ich hatte keine Kontrolle mehr über meinem Körper und dann war ich weg. Mein Freund rief nach mir, weil er den Krach meines Zusammenbruchs hörte, aber ich antwortete nicht. Er kam in die Küche und ich lag am Boden und zitterte am ganzen Körper. Ich hörte nur einen hohen Pfeifton und das Scheppern meiner Armreifen, die aufgrund meines Zitterns immer wieder auf den Boden knallten. Mein Partner versuchte mich wach zu rütteln und ich kannte mich gar nicht aus was passiert war. Es waren nur wenige Sekunden, die ich bewusstlos war. Ich versuchte aufzustehen, aber ich konnte nicht, weil mein rechter Fuß so weh tat.
Als ich zusammenbrach, habe ich mich schwer verletzt, aber ich stand so unter Adrenalin, sodass ich erst gar keine Schmerzen spürte. Mein Oberschenkel war blau, anscheinend rammte ich beim Aufprall die Küchengriffe. Mein Fußknöchel war an zwei Stellen gebrochen, was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste. Die Rettung brachte mich ins Spital. Dort wollten sie gleich eine Not-Operation machen, aber ich getrunken und gegessen hatte, verschoben sie die OP auf einen anderen Tag. Ich verweigerte die Operation, weil ich stationär in Krankenhäuser alle Zustände krieg. Seit dem Vorfall mit dem Schwindelanfall und dem gebrochenen Fuß bin ich nun auch in Behandlung beim Neurologen.
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